Operndiven

Zum Tod von Renata Scotto und Berit Lindholm

Birgit Nilsson hatte einst ihre schwedische Kollegin Berit Lindholm nach Bayreuth empfohlen, Maria Callas wußte, daß die Italienerin Renata Scotto einen Triumph feiern würde, sobald sie selbst es vorzog, auf eine der legendären Parties von Elsa Maxwell zu gehen, statt beim Festival von Edinburgh Bellinis „Nachtwandlerin“ zu singen. Es geschah: Lindholm wurde in den Jahren um 1970 zu einer der Stützen der Wagner-Festspiele, die Scotto triumphierte in Edinburg und avancierte nach dem Abgang der Callas und dem Ende der Karriere Renata Tebaldis zur unangefochtenen Verdi- und Puccini-Diva – nicht zuletzt an der New Yorker Met.

NORMA IN WIEN

Reichlich spät in ihrer Karriere, wie Kritiker gern zynisch angemerkt haben, denn in den Siebzigerjahren bewältigte die Scotto, die bereits Ende der Fünfzigerjahre in der Scala auf der Bühne gestanden war, die dramatischen Partien, die sie gern sang, nicht mehr ohne Druck. Aber, möchte man entgegnen, gerade dieser Hochdruck, unter dem ihr Singen stand, imponierte dem Publikum sehr.

Als an der Scala einige Callas-Verehrer die im Zuschauerraum anwesende »Assoluta« lauthals feierten, konnte die Scotto zynisch entgegnen: Die Callas möge doch an ihrer Stelle die Elena in Verdis »Sizilianischer Vesper« singen, wenn sie dazu imstande sei – das war 1970 und die Callas wäre kläglich gescheiterte…

BELLINI-TRIUMPH IN WIEN

Scottos wenigen Gastspiele in Wien gipfelten 1980 in vier Aufführungen von Bellinis „Norma“, in der die Künstlerin an der Seite der an der Staatsoper ebenso raren Tatjana Trojanos stand: Gewiss waren da manch nicht mehr ideal ausbalancierte Phrasen zu hören, aber so viele Anklänge an einen erfüllten, blutvoll-leidenschaftlichen Belcanto, dass der Jubel groß war – und die Staatsoper jahrzehntelang nicht mehr wagte, „Norma“ aufs Programm zu setzen.

Die späten Auftritte waren Endspiele der melodramatischen Italianità, deren Höhen die 1934 in Savona geborene Künstlerin eroberte, nachdem Tenorkollege Alfredo Kraus sie zur Korrektur technischer Probleme seiner Lehrerin empfohlen hatte: Solange Scotto das lyrische Koloratur-Repertoire pflegte, gelangen ihr makellose Aufführungen von hoher Intensität – legendär etwa in Bellinis „Capuleti“ an der Seite Giacomo Aragalls und Luciano Pavarottis. Herausragend im Spinto-Fach später auch Puccinis „Butterfly“ im Plattenstudio unter John Barbirolli.

BAYREUTHER BRÜNNHILDE

Fortwährenden Strapazen dramatischer Partien hatte auch der Sopran der gleichaltrigen Berit Lindholm Tribut zu zollen. Im Timbre nicht unähnlich ihrem Vorbild Nilsson, aber weniger robust, war sie über Jahre eine gesuchte Isolde und Brünnhilde, die sie in der zweiten Bayreuther Produkton von Wagner-Enkel Wolfgang zwischen 1968 und 1974 unter Lorin Maazel und Horst Stein sang.

Anders als die Scotto hatte Lindholm keine Chance auf dem Schallplattenmarkt. Auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn holte sie immerhin Colin Davis, 1969, nach einer Aufführungsserie in Covent Garden ins Studio, wo sie als Kassandra in der ersten Gesamtaufnahme von Berlioz‘ „Trojanern“ sang, die ihr Andenken bewahren wird.